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Ein erstaunliches Stück Theater
Emden. Das Ensemble „Theartic“ spielte ein Theaterstück, das durchaus als Lehrstück für Kommunen und Parteien dienen könnte. „Von welchen, die auszogen, eine Wohnung zu finden“ ist eine szenische Collage, die unterschiedlichste Aspekte des Themas in Sequenzen auf die Bühne bringt. Nun scheinen Wohnungsnot und sozialer Wohnungsbau auf den ersten Blick nicht unbedingt attraktiv für ein gut zweieinhalbstündiges Stück. Dass es dennoch gelang, lag an der spielerischen Umsetzung, die zwischen heiteren Momenten, betroffenem Ernst, Satire und reiner Komik schwankte. So gab zum Beispiel Klaus Bahlmann die zwar überzeichnete, aber gewitzte Karikatur eines Oberbürgermeisters. Karin Wilts stürmte als verzweifelte Wohnungssuchende schließlich das städtische Amt, um sich in ihrer Not dort eine Unterkunft zu sichern. Iris Sabow-de Vries war die kaltherzige, karrieresüchtige und gewissenlose Managerin eines Wohnungsbau-Unternehmens, der krasse Gegenentwurf zu der mitfühlenden Mitarbeiterin des Wohnungsamtes (Annika Wienbeuker).
Das Thema war klar. Es gibt zu viel Lobbyismus, zu viel reines Gewinnstreben, zu viele Bauvorgaben, zu viel Gier, dafür zu wenig wenig preiswerten Wohnraum, vor allem aber zu wenig Empathie. Eine Obdachlose (Lydia Kuhlmann) berichtet, wie schnell man trotz eines soliden Berufes und eines guten sozialen Umfelds auf der Straße landen kann. Eine andere (Inken Wilts) hat Angst vor Hilfseinrichtungen, weil sie damit schlechte Erfahrungen machte. Es gibt Großfamilien, die keinen ausreichenden Wohnraum finden, Einzelpersonen, die vergeblich nach einer Zwei-Zimmer-Wohnung suchen, Menschen, die am Öffentlichen Personennahverkehr verzweifeln, aber nicht in die Nähe ihres Arbeitsplatzes ziehen können, weil es dort einfach keine Wohnung gibt. Auch der Einsatz einer Bürgerinitiative unter der Leitung eines Aktivisten (Siegfried Württemberger) bleibt letztlich folgenlos.
Ulrike Heymann, die das Buch geschrieben, Regie geführt hat und zudem die Projekt- und Produktionsleitung übernahm, stellte jede nur denkbare Konstellation der Problematik vor, spiegelte das Ganze aus der Sicht der Betroffenen, der Gegenseite, der Medien – und musste schließlich feststellen: Alles vergeblich.
Aber sollte es wirklich keine Lösung geben und das Ganze in Depression enden? Nein, so leicht wollte es sich die Autorin dann doch nicht machen. Sie zählte auf, welche Möglichkeiten zur Änderung des Zustandes möglich sind – von der Verringerung der unglaublichen Zahl von Bauvorschriften über modulare Bauweisen von neuen Wohneinheiten und die Einrichtung einer Stelle für Wohnungstausch bis zu politischen Willensbekundungen. Denn das war das Fazit: Es muss sich etwas ändern. Das kann aber nur durch die Politik erfolgen, denn Bürgerwille kann nur Bedürfnisse artikulieren und Lösungswege aufzeigen.
Wie immer bei „Theartic“ waren das wandelbare Bühnenbild und die Ausstattung von Urmel Meyering und Monika Klees ein optisches „Pfund“. Für die Bühnenmusik hatte Ulrike Heymann zum zweiten Mal ihren Neffen, den Filmkomponisten David Heymann, gewonnen. Er tauchte das Stück in zumeist percussive Töne, die die Schwebe hielten zwischen den unterschiedlichen Emotionen von Frust bis Hoffnung.
Resümee: Ein erstaunliches Stück, das von einem sehr engagierten jungen Team auf die Bühne gebracht wurde. Letztlich aber war es ein beschämendes Lehrstück für ein Land, das äußerlich immer noch reich ist, innerlich aber zunehmend verkommt.
Quelle: https://www.kultur-in-emden.de/2024/04/12/ein-erstaunliches-stueck-theater/
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Hinweis:
Es gibt für alle 3 Vorstellungen ausreichend Karten an der Abendkasse.
Alle, die das Stück sehen möchten, kommen garantiert in die Nordseehalle.
Die Abendkasse ist ab 18.30 Uhr geöffnet.
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VERLEGT IN DIE NORDSEEHALLE!
Das Ensemble Theartic präsentiert:
Von welchen, die auszogen, eine Wohnung zu finden
Die Mieten steigen, die Zahl der Sozialwohnungen sinkt,
das Bauen stagniert, und wenn gebaut wird, dann nur selten gemeinwohlorientiert,
Abriß geht vor Sanierung, Umbau und Umnutzung,
Luxussanierungen vertreiben Menschen aus ihren Wohnvierteln,
Leerstand und Spekulation verknappen den Wohnraum zusätzlich,
die Mieten steigen weiter, die Zahl der Wohnungslosen und Obdachlosen ebenso …
Die Wohnungskrise hat längst auch die Mittelschicht erreicht, und Mangel an bezahlbarem
Wohnraum herrscht nicht mehr nur in Großstädten, sondern in nahezu jeder Kommune.
Gleichzeitig stehen hochpreisige Immobilien im Überfluß zur Verfügung,
Immobilienkonzerne fahren immense Gewinne ein,
Aktionäre kassieren satte Dividenden
und Superreiche haben allenfalls ein Problem mit dem Personal für die Drittwohnung.
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Und „die Politik“? – Die einen bemühen sich, andere blockieren, wieder andere ignorieren …
Theartic begibt sich auf Wohnungs- und Lösungssuche – gewohnt kritisch und satirisch, mal
dramatisch, mal komisch, mal traurig, mal absurd – und freut sich, daß Sie dabei sind!
Theartic und die Suche nach Wohnraum
von Ina Wagner
Hintergrund für das aktuelle Stück „Von welchen, die auszogen, eine Wohnung zu finden“ sind aktuelle Meldungen über steigende Mieten, die sinkende Zahl an Sozialwohnungen, die Stagnation im Baubetrieb und die Tatsache, dass selten gemeinwohlorientiert gebaut wird. „Abriß geht vor Sanierung, Umbau und Umnutzung, Luxussanierungen vertreiben Menschen aus ihren Wohnvierteln, Leerstand und Spekulation verknappen den Wohnraum zusätzlich, die Mieten steigen weiter, die Zahl der Wohnungslosen und Obdachlosen ebenso …“, resümiert Ulrike Heymann.
Dabei habe die Wohnungskrise längst auch die Mittelschicht erreicht, und Mangel an bezahlbarem Wohnraum herrsche nicht mehr nur in Großstädten, sondern in nahezu jeder Kommune. Zugleich stünden hochpreisige Immobilien im Überfluss zur Verfügung, Immobilienkonzerne generierten immense Gewinne, Aktionäre kassierten satte Dividenden, und Superreiche hätten allenfalls ein Problem mit dem Personal für die Drittwohnung. „Und die Politik? Die einen bemühen sich, andere blockieren, wieder andere ignorieren …“
► Das Stück wendet sich an Erwachsene und Jugendliche ab 14 Jahren
► Der Vorverkauf beginnt am 25. März bei Kulturevents (Am Alten Markt) und bei der Emder Zeitung, Schulklassen können Karten ab sofort bestellen unter: ulrike.heymann@theartic-emden.de
► Eintritt: 15 Euro, ermäßigt 7,50 Euro (für Schüler, Studenten, Menschen mit Behinderungen, Leistungsempfänger), Schulklassen zahlen vier Euro pro Person
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„Das war cool!“
von Ina Wagner
Emden. Es war faszinierend. Rund 250 Kinder in der Nordseehalle. Gerufe, Gerede, Aufregung, viel Lärm. Doch dann treten die beiden Theartic-Regisseure Ulrike Heymann und Claus Gosmann vor das Publikum – und innerhalb von 30 Sekunden ist Ruhe im Haus, und das Spiel kann beginnen.
Einblicke: das Häuschen des Jungen mit dem Fuß
auf der einsamen Insel
„gestrandet“ ist ein Wunsch der Spieler von Theartic Junior gewesen. Sie wollten eine Verknüpfung aus Abenteuer und Einsamkeit. Doch ganz so einsam ist es auf der Insel, auf der ihr Boot aufgelaufen und dann gesunken ist, nicht. Da gibt es Meereswesen und zwei Sonderlinge, die die Insel bevölkern und mit denen sich die Gruppe auseinandersetzen muss. Dass dabei auch Akrobatik eine Rolle spielt, gibt dem Stück eine zusätzliche Dimension. Doch es ist die Musik von David Heymann, die den Clou ausmacht und den Besucher – ob klein oder groß – immer wieder einfängt.
Der professionelle Filmkomponist hat dem Stück einen eigenen moderner Sound verpasst, der durch die kurzen Akte, in die Ulrike Heymann ihr Opus gegliedert hat, leitet, aber auch leitmotivisch hindurchführt. Welche Rolle der Tenor Enrico Caruso spielt und wie „gestrandet“ ausgeht, wird hier natürlich nicht verraten, aber sehr wohl muss angesprochen werden, wie viel Spaß die Akteure im Alter zwischen zehn und 18 Jahren auf der Bühne hatten, wie flüssig sie den Text gestalteten und wie selbstbewusst und souverän sie sich durch „ihr“ Theaterstück spielten.
Begegnung der anderen Art: Gestrandete und Meermenschen stehen sich gegenüber
Da waren die drei Meermenschen Diana Meyer, Friederike Bekker und Daniel Kerner. Den Jungen mit dem Fuß und den Legomann spielten Remmer de Vries und Fynn Krause. Die Gestrandeten setzten in Szene: Niklas Eilers, Wenke Wilts, Karoline Hofmann, Johanna Bekker, Moritz Metzner, Arne Metzner, Melina Heimann, Hannah Brunken und Sara Zinaoui. Als Souffleuse hatte Emilia Franke einen eigenen Auftritt vor dem eigentlichen Spielbeginn.
Nach dem Ende der Produktion kamen Besucher zu Wort. Die Schüler bekundeten nicht nur unisono, dass das Stück „cool“ sei. Sie stellte auch Fragen. Und nach anfänglichem Zögern erwiesen sie sich als belebendes Element, indem sie geradezu forschend nachbohrten.
Wie wird man Mitglied bei Theartic Junior? Einfach vorbeikommen
Wie lernt man, auf der Bühne auch im Dunkeln zu agieren? Durch viel Üben.
Wie lange braucht es, ein solches Theaterstück einzustudieren? Eineinhalb Jahre.
Wie viel Zeit muss man dafür investieren? Wöchentlich eine bis maximal zwei Stunden, und ab und an mal einen Tag am Wochenende.
Wer hat die Spieler frisiert? Emilia
Was kostet eine Theaterproduktion wie diese? Zwischen 20 000 und 25 000 Euro, weil die Hallenmiete ebenso bezahlt werden muss wie Tontechnik, Licht, Druckkosten und anderes
Woher bekommt man das Geld? Als Förderung von der Stadt Emden und von weiteren Sponoren, die man abklappert. In diesem Fall war – neben privaten Spendern – die Sparkasse Aurich-Norden fördernd tätig.
Woher kommen die Klamotten? Rechtzeitig vorher werden die Spieler-Eltern gebeten, bestimmte ausgelagerte Kleidungsstücke nicht wegzuwerfen, sondern für die Produktion aufzubewahren. Vieles wird auch selber geschneidert.
Wer hat das Stück geschrieben? Ulrike Heymann
Quelle: https://www.kultur-in-emden.de/2023/11/16/das-war-cool/