OZ 29.01.2013: „Kunst ist schön – macht aber viel Arbeit“

Emden. „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“ – Ulrike Heymann muss nicht lange überlegen, um zehn Jahre Theartic zusammenzufassen. Sie zitiert Karl Valentin, und es klingt nicht so, als täte sie das zum ersten Mal. Als Vorsitzende und Initiatorin des Emder Vereins, der Behinderte und Nichtbehinderte zusammenbringt und als Mannschaft zu Kulturschaffenden macht, weiß sie um beide Seiten der Kunst. Den Reiz spürt die Musik- und Theaterpädagogin oft, den damit verbundenen Aufwand bekommt sie häufig zu spüren.

Heymann war es, die 2002 die Idee zu einem Theaterensemble mit nicht alltäglicher Besetzung hatte, das sich im Laufe der Zeit nicht nur in Emden einen Namen gemacht hat. „Auch in Hannover sind wir inzwischen so bekannt, dass man Theartic nicht mehr so oft erklären muss“, sagt Beate Kegler, die Geschäftsführerin ist. Auf solch professionellen Füßen steht der Verein erst seit dem vergangenen Jahr, als das Land eine Strukturförderung bewilligte. Den Rumpf bildet trotzdem weiterhin das Ehrenamt. Vorsitzende Heymann spricht von einem wunderbar engagierten Leitungsteam, von Mitgliedern, die sich einbringen und von Netzwerken, auf die man zurückgreifen kann. „Nur so geht das.“

An Unterstützung hat es dem Verein und der Idee dahinter von Beginn an nicht gefehlt. Für den ersten Versuch einer Theaterprobe 2003 hatten Heymann und ihre damalige Kollegin Karin Emrich beschlossen: „Wenn acht Leute kommen, fangen wir an.“ Tatsächlich tauchten mehr als 20 Interessierte auf. Theartic war geboren.

Auch bei den Aufführungen des ersten Stücks im Jahr darauf waren die Erwartungen verhalten, der Zuspruch aber enorm: „Schröder kommt!“ spielte dreimal in der Alten Post vor ausverkauftem Haus. Es brachte der Truppe mehr als Lorbeeren: Bis dahin eher Mangelware, meldeten sich viele Menschen ohne Behinderung, die mitspielen wollten.

Seitdem ist der Verein stetig weiter in die Breite und Höhe gegangen. Sechs eigene Theaterproduktionen hat das Erwachsenen-Ensemble bisher auf die Bühne gebracht. Die Alte Post reicht längst nicht mehr aus: Seit 2006 spielt die Truppe im Neuen Theater. Schon 2005 übernahm der Verein den Chor der Lebenshilfe und schlug mit dem „TheartiChor“ für sich neue Töne an. Ebenfalls 2005 wurde der Grundstein für die Kindertheatergruppe Theartic junior gelegt.

Der Zeit war der Verein um einiges voraus. Gegründet mit dem Ziel, Menschen mit und ohne Behinderung die Möglichkeit zu geben, sich gemeinsam und gleichberechtigt künstlerisch zu betätigen, stellt Vorstandsmitglied Inge Rhoden-Wohlers fest: „Mit der Inklusion haben wir schon vor zehn Jahren begonnen.“ Heymann sieht Theartic längst als soziale Institution. Unter dem Schirm der Kunst kommen Menschen aus allen Schichten, mit den verschiedensten – nicht immer erkennbaren – Einschränkungen oder ohne zusammen. „Die Kombination ist besonders reizvoll.“

Und Heymann hat gemerkt: Die Geschichte von Theartic hat nicht nur bei den Mitwirkenden was bewegt. Auch Zuschauer sehen anders. „Unser Publikum merkt, dass es keine Rolle spielt, ob jemand eine Behinderung hat oder nicht.“ Aber nicht nur im Spiel auf der Bühne, auch allgemein spüre man, dass sich die Wahrnehmung langsam ändere – Grenzen dabei sind, sich aufzulösen.

Seine Erfahrungen mit dem grenzenlosen Europa sammelte Theartic im vergangenen Jahr sammeln. Als Teilnehmer eines länderübergreifenden Projekts reiste man mit 45 Schauspielern und Musikern für ein Gastspiel zu einem Festivaltreffen nach Prag. Dort wurden die Emder vom Publikum gefeiert. Noch wichtiger aber das Erlebnis des Zusammenhalts. Der sei einfach toll gewesen, sagt Dr. Eva Nduka-Agwu vom Vorstand. Was sie beeindruckend fand: „Jeder hat auf jeden geachtet“ – auch das gehört zu den Dingen, die sich in zehn Jahren Theartic entwickelt haben.

Vom Rückblick zum Ausblick: Um die Zukunft muss dem Verein nicht bange sein. Es gibt genug kreatives Potenzial, ehrenamtlich mitarbeitende Profis, Partner wie „Das Boot“ und die Malschule…, sogar Geldsorgen gibt es momentan keine. „Was die Finanzen angeht, ist alles gut“, sagt Geschäftsführerin Kegler. Dank einer Grundförderung durch die Stadt Emden hat Theartic gute Chancen bei Anträgen auf projektbezogene Fördermittel. Was Kegler freut und stolz macht: „Im vergangenen Jahr wurden alle bewilligt, das ist so unglaublich.“ Es sei gelungen, jeden Euro, den die Stadt Emden gibt, zu verachtfachen.

Auch die Spenden, die der Verein erhält, sind gestiegen. So hat beispielsweise Remmer Edzards, Chef der Stadtwerke, anlässlich seiner Verabschiedung um Geldgeschenke für Theartic gebeten. Mehr als 5000 Euro kamen zusammen.

Für die Rundum-Zufriedenheit fehlt langfristig ein Haus mit Bühne, Lagerräumen – eben allem Drum und Dran. Im Moment würde eine Geschäftsstelle reichen – „kostengünstig und barrierefrei“, nutzbar als Büro, Treffpunkt und Anlaufstelle. Das Apollo hat der Vorstand dabei im Kopf – will mehr dazu aber noch nicht sagen.

Lieber spricht man derzeit über eine andere Idee: Theartic bezieht leerstehende Geschäfte in der Innenstadt. Wechselt, sobald sich Mieter finden, und macht die Umzüge zum Ereignis. Damit kommt mehr Leben in die Fußgängerzone. Heymann: „Das ist doch kein schlechter Plan?!“

OZ-Artikel vom 29. Januar 2013 als Download (PDF): HIER klicken!

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